1. Dezember »
Bethlehem
Golden, hell und funkelnd geht der Stern am Himmel auf. Stolz lässt er sein schönstes Licht erstrahlen. Tief unter ihm liegt Bethlehem?. Bald ist Weihnachten! Der Stern will den Menschen zeigen, dass da unten ein ganz besonderes Baby in der Krippe lag. Er ist nämlich der Weihnachtsstern.
Nur leider kann der Stern glänzen, so viel er will. Neben all dem Gefunkel von Lichterketten und Geldstücken bemerkt ihn keiner.
„Krah!“ Ein Vogel bremst gerade noch vor ihm ab. Er ist blau-schwarz und ziemlich zerfleddert. „Vom Kurs abgekommen“, krächzt er. „War damit beschäftigt, in den Stall da unten zu schauen. Da drin wurde Jesus geboren! Wusstest du das?“
Der Stern lässt ein paar Funken sprühen. „Ob ich das wusste? Ich? Natürlich! Aber die Menschen… Die wissen viel über Geschenke und Tannenbäume. Doch über Jesus? Der lag da unten als klitzekleines Baby, hat gefroren und gebrüllt und in die Windeln gemacht. Und das, obwohl er Gottes Sohn ist. Und später hat er unglaubliche Dinge getan.“
„Ach ja?“, fragt der Vogel. „Welche unglaublichen Dinge meinst du denn?“
„Er hat Kinder ernst genommen“, erzählt der Stern. „Und er hat Menschen gesund gemacht.“
„Krah?“ Der Vogel klappt seinen schiefen Flügel ein. „Darüber kann man sich nur wundern“, krächzt er.
Der Stern wird ein wenig dunkler. „Eben. Aber an Wunder? glauben die Menschen nicht mehr“, sagt er und seufzt betrübt.
Der Vogel flattert um den Stern herum. „Ich hab schon Sachen gesehen, die glaubst du nicht. Zum Beispiel Menschen, die Weihnachten ganz wunder-voll finden. “
„Wirklich?“, fragt der Stern.
„Krah! Nämlich Kinder.“
Bethlehem
Worterklärung Bethlehem
Bethlehem ist eine kleine Stadt in Israel. Wenn du einen Atlas aufschlägst, dann suche die Karte mit dem Mittelmeer. Und ganz rechts am Ufer des Mittelmeeres kannst du das kleine Land Israel finden. Und in diesem Land liegt Bethlehem. So ungefähr in der Mitte. Dicht bei Jerusalem und Jericho.
Früher war Bethlehem ein kleines Dorf. Es wurde berühmt, weil dort ein ganz wichtiger König geboren wurde. Der hieß David. Und viele Jahre später wurde dort wieder ein ganz wichtiger Mensch geboren: Jesus! Aber die Eltern von Jesus waren arm und keine Könige. Sie waren zu Fuß unterwegs und haben in einem Stall für Tiere übernachtet. Dort kam dann ihr Baby Jesus zur Welt. Wir feiern heute noch das Geburtstagsfest für Jesus und nennen es „Weihnachten“.
Heute gibt es in Bethlehem viel Streit. Dort wohnen Palästinenser und Israelis und viele von ihnen kämpfen gegeneinander. Jeder will die Stadt und das Land für sich haben. Die Israelis haben sogar eine große Mauer gebaut, damit die Palästinenser nicht mehr überall hinkommen. Darüber sind die natürlich wütend. Oft wird geschossen, Kinder haben Angst und die Eltern sind wütend oder traurig.
Wunder
Worterklärung Wunder
Hast du gemerkt, was da im Gespräch zwischen Stern und Rabe passiert ist?
Der Stern sagt: „An Wunder glauben die Menschen nicht mehr“.
Und der Rabe antwortet: „Ich kenne Menschen, die Weihnachten wunder-voll finden.“
Jetzt müssen wir uns zwei Sachen überlegen:
Erstmal: Was ist ein Wunder?
Und dann: Was ist der Unterschied zwischen „an Wunder glauben“ und „etwas wunder-voll finden“?
Erstmal: Was ist ein Wunder? Eigentlich ganz einfach: Ein Wunder ist etwas, über das ich mich wundere. Ich habe selbst schon jede Menge Wunder gesehen. Jedes Mal, wenn ich einem kleinen Baby begegne. Dann wundere ich mich darüber, wie aus ein bisschen Chemie und Liebe ein richtiger Mensch werden kann. Ich verstehe nicht, wie das möglich ist – und trotzdem sehe ich immer wieder, dass das so ist: Neue Menschen werden geboren, wachsen, lernen und werden zu netten Erwachsenen, gesund und fröhlich … und manchmal nicht.
Also: mindestens ein Wunder hast Du auch schon erlebt, nämlich: Dass es DICH gibt, ist ein Wunder. Oder weißt du, wie du aus dem Nichts entstanden bist? Weißt du, wie aus der Schale Cornflakes, die du morgens isst, die Kraft wird, mit der deine Beine laufen können?
Das ist für mich ein Wunder: Da geschieht etwas, das ich nicht erklären kann.
Und jetzt? Muss ich an dieses Wunder glauben? Also darauf vertrauen, dass das wirklich passiert?
Oder reicht es, wenn ich es einfach angucke und mich darüber freue, dass die Welt voller Wunder ist – also wundervoll?
Merkst Du, was der Unterschied ist? Wenn ich an Wunder glauben soll, dann ist das so, wie: Ich muss mich anstrengen, damit ich das, was ich nicht verstehen kann für echt und wirklich halte.
Um etwas wundervoll finden zu können, muss ich mich nicht anstrengen. Da muss ich einfach sagen: Ach guck! Schön! Wieder ein Wunder, das ich nicht erklären kann.
Ich denke, das ist das, was uns der Rabe hier zeigen will: Es ist ganz normal, dass Dinge passieren, die du nicht verstehen kannst. Wehre dich nicht dagegen! Es ist in Ordnung, dass du nicht alles erklären kannst. Freue dich einfach, dass die Welt voll Wunder ist.
Für Erwachsene ist das manchmal richtig schwer. Als Erwachsener musst du immer alles wissen und erklären können. Darum sind Wunder echt lästig.
Von Jesus wird zum Beispiel erzählt, dass er blinde Menschen wieder sehend machen konnte – ganz ohne Medizin. Wie das geht, kann keiner erklären. Wirklich keiner. Kein Erwachsener, keine Augenärztin, kein Pastor.
Erwachsene bekommen manchmal Angst, wenn sie etwas nicht erklären können. Angst davor, zu dumm für die Welt zu sein. Und darum sagen Erwachsene oft zu einander: „Du musst einfach daran glauben, dass Jesus Blinde wieder sehend gemacht hat.“ Der Glaube an das Wunder ersetzt dann also das Verstehen; weil: verstehen geht ja nicht.
Kindern fällt es da oft leichter. Die müssen ja nicht immer alles erklären. Die schauen sich die Sache an und sagen: „Aha, so ist das also! Jesus konnte einfach so blinde Augen wieder gesund machen. Interessant, was es so alles gibt.“
Kinder können also sagen: Die Welt ist voller Wunder und das ist gut so – wundervoll eben.
Ach ja, manchmal denke ich: Es wär doch schön, wenn man sein Leben lang ein Kind bleiben könnte.