« 25. Dezember »

Die Stallfamilie

„Schlaf ich oder träum ich?“, fragt der Junge mit dem löchrigen T-Shirt und der Schuhputzbürste in der Hand. Und eine schick angezogene Frau mit tollen blauen Schuhen, an denen ein glitzernder Stern steckt, legt dem Jungen die Hand auf die Schulter und sagt lächelnd: „Beides, Yohanes! Hier im Stall kommen wir alle zusammen, aus allen Ecken der Welt.“

Und sie nimmt den Stern von ihrem Schuh und hängt ihn an eine splitterige Stelle an der Stallwand. Direkt neben die Sternenkette von Leas Freundin mit dem komischen Hut. Und schon wird es ein wenig heller und freundlicher in dem dunklen Stall.

Immer mehr Leute kommen in den Stall. Ein Mädchen mit Bilderbuch kommt zusammen mit einem Mann, der einen schmutzigen Rucksack trägt; ein Mädchen mit lustigen Minizöpfen auf dem Kopf kommt zusammen mit ihrer Freundin; zwei Jungen stehen in der Tür und klopfen sich Baustellenstaub von den Klamotten; ein Mädchen mit wunderschön glänzenden schwarzen Haaren hat ihren Papa an der Hand. Ein Junge hat einen Hund dabei. Der Hund hat auch einen glitzernden Stern um den Hals, den er jetzt mit der Schnauze an die Stallwand fummelt.

Immer mehr Kinder kommen. Alle zusammen mit Menschen oder Tieren, die Sterne dabei haben und bald ist der Stall in helles glitzerndes Licht getaucht.

Die Kinder reden bald bunt durcheinander und erzählen sich ihre Geschichten. Aber die Geschichten kennst du ja schon.

„Und warum habt ihr alle Sterne?“, fragt der kleine Inder seine Oma. „Wir sind eure Engel“, antwortet der Hund aus Sibirien. Alle Kinder werden erstaunt still.

„Aber ihr habt doch gar keine Flügel!“, wundert sich Lea. Und Yohanes meint: „Seit wann können Hunde sprechen?“

„Hier versteht jeder jeden“ antwortet Oma Amatshi. „Was glaubt ihr, wie viele verschiedene Sprachen ihr redet. Wenn ihr nicht hier in diesem Stall wäret, könntet ihr euch gar nicht verstehen?.“

Und Fernandas Vater erklärt: „Engel brauchen keine Flügel. Engel sind einfach alle, die dir zeigen, dass Gott dich ganz lieb hat. Engel verschenken Liebe und Geborgenheit – so wie kleine Sterne.“

„Genau. Deshalb könnt auch Ihr alle Engel sein“, sagt Marie, das Mädchen aus Zentralafrika mit den Mini-Zöpfen.

verstehen

Heute geht es in unserer Geschichte zu, wie in einem Märchen. Findest du nicht auch? Menschen aus Afrika und Indien, aus Russland und Peru können sich miteinander unterhalten und sogar die Hunde können reden und verstanden werden. Ach, wie wär‘ das schön, wenn es in der Wirklichkeit auch so sein könnte: Jeder versteht jeden und alle werden zu einer großen Familie.

Aber genau das ist Weihnachten. So ist das, wenn Gott da ist. Das erzählt jedenfalls die Bibel. Da stehen Geschichten, die erzählen, wie es sein wird, wenn nicht mehr Könige und Präsidenten die Welt regieren, sondern Gott der einzige ist, der größer als die anderen ist. Alle werden sich verstehen und vertragen.

Es gibt sogar eine Geschichte, die erzählt, dass unterschiedliche Sprachen einfach kein Problem mehr sind, wenn Gott da ist. Du findest diese Geschichte in der Bibel: Apostelgeschichte, Kapitel 2.

„Ok!“, sagst du, „das ist Zauberei“. Das denke ich nicht. Denn das gibt es doch auch wirklich. Es ist gar nicht so selten, dass sich Christen aus Afrika und Deutschland gegenseitig in ihren Kirchengemeinden besuchen. Und obwohl sie aus ganz verschiedenen Ländern kommen und ihr Leben ganz anders aussieht: sie können sich gegenseitig verstehen. Natürlich brauchen wir immer noch Wörterbücher und Übersetzer. Damit man die unbekannten Wörter aus der anderen Sprache in Wörter aus der eigenen Sprache übertragen kann.

Aber verstehen ist doch viel mehr, als nur zu wissen, was ein Wort bedeutet. Wenn du „Tisch“ sagst, dann weiß ich: Du meinst ein Brett mit vier Stangen unten dran, wo ich meine Corn-Flakes-Schale draufstellen kann. Das ist auch verstehen.

Aber verstehen ist noch mehr. Verstehen bedeutet ja auch: Wenn du sagst, ich bin traurig oder ich bin fröhlich, dann weiß ich, was für ein Gefühl du hast. Und weil ich weiß, wie du dich fühlst, kann ich mich mit dir zusammen freuen oder dich beim traurig sein trösten.

Das ist auch verstehen. Und dieses Verstehen kommt, weil du und ich uns ähnlich sind. Und so ist das bei allen Menschen. Ob es ein kleines Mädchen aus Zentralafrika ist oder ein Papa in Peru. Ob es ein Junge aus Indien ist oder ein Mädchen aus Bethlehem: Wir sind uns alle ähnlich und darum können wir uns verstehen … wenn wir es wollen und wenn wir uns irgendwo treffen, wo wir das Gefühl haben: Wir gehören zusammen.

Ich denke, das ist das wirkliche Geheimnis von Weihnachten. Weil: Wenn Gott durch das Kind Jesus wird wie ein Mensch, dann kann auch jeder Mensch werden, wie ein anderer Mensch. Weihnachten bedeutet: Wir gehören alle zusammen. Alle Unterschiede sind unwichtig: Mensch und Tier, kleines Mädchen und alter Opa, schlaue Ärztin und krankes Kind. All diese Unterschiede sind mickrig, klein, unwichtig, wenn uns klar wird: Weihnachten wird Gott wie ein Mensch.